Perspektive und Räumlichkeit

Bei der Perspektive geht es um all die Aspekte der Fotografie, welche aus dem Umstand entstehen, dass das Motiv räumlich und das Bild flach ist.

Ein Aspekt ist die Methode der Abbildung:

Die Perspektive ist aber auch das Ding, welches sich ändert, wenn Sie mit der Kamera auf der Suche nach der optimalen Sehweise um Ihr Motiv herumschleichen. Sie ändern damit

Und nicht zuletzt: Die Perspektive benötigt und nutzt den Raum, das Thema enthält daher auch Fragen zur Räumlichkeit in der Fotografie.

Der Raum ist nicht flach wie ein Bild

Bild: Michael Albat

Die wesentlichste Eigenschaft des Raumes ist die Ausdehnung. Wir erleben "Raum" auf verschiedenste Weise, ein wichtiger Teil des Erlebnisses ergibt sich optisch durch unser Sehen, aber auch das Gehör ist richtungsempfindlich. Weitere Empfindungen ergeben sich durch die Erdanziehung, welche die Dimension Oben-Unten durch die Schwere speziell auszeichnet. Auch Bewegung deutet auf Raum hin, diese ist auf Raum angewiesen, kann den Raum einnehmen, wir bewegen uns oder wir erleben Bewegung, zum Beispiel in Form von Wind. Den Raum sind wir imstande auch über dessen "Füllung" wahrzunehmen. Duft und Klang kann einen Raum erfüllen, aber auch Wärme und Kälte, welche durchaus auch eine Richtungskomponente aufweisen können, ein einzelner warmer Sonnenstrahl in der Kälte mag hier als Beispiel dienen.

Das fotografische Bild hingegen ist 2-dimensional, flach, dies ist eine der elementarsten Vorgaben des Mediums Fotografie. Dies deutet darauf hin, dass Fotografie einen Nachteil haben könnte bei der Darstellung des Raumes. Die Ausdehnung des Raumes hinterlässt jedoch auch im 2-dimensionalen Bild ein paar eigenartige Spuren, welche uns trotz den Einschränkungen des Mediums auf die Räumlichkeit des Motivs schliessen lassen.

Somit sei gleich von Anfang an klargestellt: Der Raum ist nicht so darstellbar wie wir ihn erleben. Es ist eine persönliche Definitionsfrage, ob dies als Vor- oder Nachteil betrachtet wird. Man Ray soll einmal bemerkt haben, eine Realität würde ihm genügen, ein Duplikat erachte er als nicht notwendig. Ist es nicht ein Nachteil, so dürfen wir von einer Vereinfachung ausgehen. Das Medium Fotografie ist bezüglich Raum klar abstrahierend. Abstraktion ist immer eine Vereinfachung. Die Grenze der Fotografie definiert sich hier durch den Grad der zulässigen Vereinfachung.

Den Raum aufspannen

Unter Raumsehen versteht man die Fähigkeit unseres Sehapparates, die Information dreier Dimensionen wahrzunehmen. Im realen Raum basiert ein Teil dieser Wahrnehmung auf dem stereoskopischen Sehen mittels zweier Augen. Bei flachen Abbildungen fällt dieser Aspekt vollständig weg. Die Raumwahrnehmung im Bild basiert auf der Auswertung von Verzerrungen, welche die Räumlichkeit des Objekts im ansonsten flachen Bild hinterlässt. Diese Interpretation der Räumlichkeit verlangt visuelle Erziehung. So wie wir auch lesen lernen müssen, durchlaufen wir eine Phase des Bilderlesenlernens. Man nimmt an, dass dies etwa ab dem Alter von 1,5 Jahren geschieht. Man lernt dabei, einen wiedergegebenen Gegenstandes mit dem wirklichen Gegenstand zu identifizieren. Dies bezieht sich keinesfalls nur auf Fotografie, mit zunehmendem Alter werden immer abstraktere Bilder entzifferbar, zum Beispiel Piktogramme oder Strassenkarten. Es ist also unsere Erziehung, welche uns geprägt hat und uns erlaubt, in einem zweidimensionalen Bild dreidimensional zu sehen. Experimente haben gezeigt, dass Personen, welche in einem völlig anderen Kulturkreis aufgewachsen sind, Schwierigkeiten haben, aus einer perspektivischen Linienzeichnung auf die Räumlichkeit zu schliessen (Jan B. Deregowski, 1972, Pictoral Perception and Culture).

Rauminformation durch Licht und Schatten

Die dritte Dimension hinterlässt im Bild also Spuren, es sind dies (unter anderen) die folgenden:

In diesem Zusammenhang stellen sich zwei leicht unterschiedliche Aufgaben:

Es stellt sich grundsätzlich auch die Frage, ob ein Bild überhaupt räumlich wirken soll.

Nicht immer sind in einem Bild alle Aspekte der Raumabbildung gleichermassen enthalten.

Fragen betreffend Räumlichkeit beinhalten somit nicht nur den Aspekt, wie Räumlichkeit vermittelt werden kann, sondern unter Umständen auch, wie man sie vermeidet.