Ebenen

Oftmals wird angenommen, der Einsatz von Weitwinkelobjektiven würde automatisch und selbständig die grossartige Wirkung einer Landschaft im Bild konservieren. Grossartig ist dann leider oft nur die Enttäuschung, wenn vom vor Ort erlebten überwältigenden Natureindruck im Bild nichts zu finden ist.

Cornwall, England

Die Mühen der Gebirge liegen hinter uns. Vor uns liegen die Mühen der Ebenen.

(Bertolt Brecht)

Insbesondere die Weite einer Landschaft scheint Probleme zu machen. Der geübte Fotograf schafft in solchen Fällen einen Anreiz, welcher den Betrachter die Tiefe des Bildes erforschen lässt. Ein solcher Anreiz sind Ebenen. Es ist dies der gezielte Einsatz von Schichten innerhalb eines Bildes, welche jeweils klar eigenständige Distanzbereiche repräsentieren. Die wohl einfachste Ebenenaufteilung enthält die Bereich vor dem Motiv, Motiv und hinter dem Motiv, oder auch einfach nur Vordergrund, Mittelgrund und Hintergrund.

Damit die Ebenen eine Wirkung entfachen müssen sie vom Betrachter erkannt werden. Eine Möglichkeit sind Objekte, welche jeweils repräsentativ sind für ihre spezifische Ebene. Manchmal sind es auch nur Strukturen, gelegentlich sind die Ebenen aber auch durch wahrnehmbare Trennlinien, zum Beispiel eine Horizontlinie, voneinander unterschieden.

Vordergrund, Mittelgrund und Hintergrund.

Hauptmotiv im Vordergrund, zwei weitere
Wracks im Mittelgrund. Bild: Michael Albat

Wenn jede Ebene ihren eigenen Aufmerksamkeitsreiz enthält, so werden die Ebenen auch wahrgenommen. In nebenstehendem Bild ist es der helle Fleck im Felsen im Vordergrund, die Struktur im Hintergrund und insbesondere die nette Dame im Mittelgrund, welche besonders meine Aufmerksamkeit erweckt.

Mit den Ebenen haben wir also auch gleich mehrere Motive, allerdings sind nicht alle gleichermassen wichtig. Eines davon wird das Hauptmotiv sein. Dabei spielt es keine Rolle in welcher Ebene sich diese Hauptmotiv findet, in vielen Fällen liegt es im Vordergrund, so wie bei nebenstehendem Bild mit dem Autowrack, nur in wenigen Fällen im Hintergrund.

Die Elemente der weiteren Ebenen sind die Nebenmotive, sie ergänzen das Bild und lassen unseren Blick durch die Tiefe schweifen ohne das Hauptmotiv zu konkurrieren. Wiederum finden wir diese Nebenelemente im Bild mit dem Autowrack, es sind die weiteren Wracks im Mittelgrund und die Bergkette mit dem Schatten im Hintergrund.

Haben wir also ein Hauptmotiv, so wissen wir jetzt auch, was wir zu tun haben um dem Bild die gewünschte Tiefe zu geben. Wir müssen Nebenmotive finden für die zusätzlichen Ebenen. Der Landschaftsfotograf Gary Hart hat dafür eine prägnante Regel:

Wenn Du einen Vordergrund fotografieren willst, such Dir einen Hintergrund. Wenn Du einen Hintergrund ablichten willst, suche einen Vordergrund.

(Gary Hart)

Ebenen durch Rahmung

Links: Rhodos Stadt, gerahmt
Rechts: Rahmung über mehrere Ebenen

Eine reizvolle Möglichkeit zur Schaffung von Ebenen innerhalb eines Bildes ist die optische Rahmung des Motivs mit einem Vordergrundelement.

Normalerweise arrangieren sich die Ebenen in der Bildfläche übereinander, der Vordergrund ist unten, der Hintergrund oben im Bild, ausser natürlich in Down Under, da ist es gerade umgekehrt.

Bei der Rahmung hingegen nimmt der Vordergrund einen wesentlichen Teil der Bildfläche ein, der Hintergrund wird sichtbar durch eine Öffnung in der Vordergrund-Ebene. Beliebt als Rahmungselemente sind Torbögen oder Fensterdurchblicke, aber auch das legendäre Schlüsselloch zählt dadurch.

Diese Öffnung ist eine Form, respektive eine Negativ-Form, und wird dadurch selbst zu einem Bildelement mit dem eigenen ihm innewohnenden Charakter. Entsprechend will diese Form für sich innerhalb der Bildfläche platziert werden.

Der Rahmen gibt also einen Bereich frei für den Blick in die Tiefe, die hinteren Ebenen werden durch die vorderen hindurch sichtbar. In diesem Rahmen erscheinen die hinteren Ebenen jetzt als eigenständiger Bildbereiche und würde sich natürlich insgeheim sehr freuen, würde es vom Fotografen auch als solchen komponiert.

Rahmung über mehrere Ebenen.
Bild: Michael Albat

Bei nebenstehendem Bild mit dem Löwen beteiligt sich jede der drei Ebenen am Rahmen. Links oben wird der Rahmen durch den Ast im Vordergrund gestaltet. Unten ist es der Mittelgrund, in diesem Bild die Motivebene selbst,  der Löwe steht auf dem Ast, welcher zur Rahmung dient. Auf der rechten Seite wird der Rahmen durch Elemente im Hintergrund geschlossen. Die Trennung der Ebenen geschieht bei diesem Bild auch durch selektive Schärfe, also den Wechsel Unschärfe - Schärfe - Unschärfe.

L-Rahmung unten und links mit einer
steigenden Bilddiagonale in die Tiefe.

Die Umrahmung muss nicht allseitig sein, man kann den Rahmen reduzieren auf eine Teilweise Abdeckung der hinteren Ebenen. Dies geschieht, wenn Sie ein Bild so einteilen, dass sich der Vordergrund im grössten Teil des Bildes ausbreitet und nur eine Ecke freilässt. Der Vordergrund kriegt in diesem Fall eine L-Form und der Motivteil im Hintergrund erscheint im verbleibenden freien Bereich. der Durchblick in die Tiefe wird die Aufmerksamkeit des Betrachters darauf lenken.

Bilddiagonale in die Tiefe

Verbinden wir bei diesen Bildern Vordergrund und Hintergrund gedanklich mit einer Linie, so erhalten wir eine Bilddiagonale über die Raumtiefe. Die Hintergrundebene wird sich in den allermeisten Bildern im oberen Bildbereich finden, mit der Anordnung im linken oder rechten oberen Bildquadrant ergeben sich somit zwei Möglichkeiten für diese Diagonale:

Dies nicht gegenständlichen Diagonalen leisten einen wesentlichen Beitrag zur Führung des Auges im Bild.