Von der Erfahrung anderer profitieren

Wenn sie sich mit dem Gedanken tragen, ein neues Objektiv oder eine neue Kamera zu beschaffen, so haben sie hohen Informationsbedarf. Fragen werden gestellt, Antworten jeweils gegeben und die Geschichte nimmt ihren Lauf.

Die blau markierten Texte sind die Lyrics von Crosseyed and Painless von den Talking Heads, frei von Nebengedanken in den Text eingewoben. Jede thematische Ähnlichkeit ist rein zufällig aber willkommen. (Danke David, dass du dieses Lied extra für meinen Artikel geschrieben hast.)

Lost my shape - Trying to act casual!
Can't stop - I might end up in the hospital
I'm changing my shape - I feel like an accident
They're back! - To explain their experience

Die Absicht wenn sie Fragen stellen ist, von der Erfahrung anderer profitieren. Dem wäre zu entgegnen: Eigene Erfahrungen machen ist unumgänglich. Erfahrungen werden sie mit der Zeit befähigen, ihre eigenen Fragen selbst zu beantworten. Vorteilhaft macht man preisgünstige Erfahrungen selbst und profitiert von den teuren Fehlentscheidungen anderer.

Man zahlt immer den Preis für das Unwissen

Josef M. Perseus

Beziehen sich die Fragen auf den fotografischen Einstieg, so lässt sich eigentlich nur das eigene Vorgehen aus Erfahrung empfehlen. Genau genommen bedeutet die Antwort, dieses oder jenes Vorgehen verhindert nicht zwingend den Erfolg. Die Antwort ist dann eine Option unter vielen. Alternativ dazu kann der Antworter auch eine allgemeine Standard-Empfehlung durchreichen.

Isn't it weird / Looks too obscure to me
Wasting away / And that was their policy

Wie anders wäre das Ergebnis, wenn gefragt würde, welches Vorgehen respektive welche Optik gilt es zu meiden? Das interessante an dieser Fragestellung wäre, dass niemand aus Erfahrung von einer spezifischen Marke ausser der eigenen abraten könnte. Sollten trotzdem Markenstreitereien aufkommen, so dürften sie die Diskussion problemlos verlassen ohne dass sie Gefahr laufen, etwas wesentliches zu verpassen.

I'm ready to leave - I push the fact in front of me
Facts lost - Facts are never what they seem to be
Nothing there! - No information left of any kind
Lifting my head - Looking for danger signs

Sie können auch ihren Händler fragen oder die Nase in einen Werbeprospekt stecken. Beide Quellen sind allerdings nicht zwingend ganz neutral. Stellt ein Händler fest, dass sie eine Neigung gegenüber einem spezifischen Produkt entwickeln, so wird er dieses ein wenig loben. Dies kann durchaus objektiv geschehen ohne andere Produkte dadurch schlecht zu machen. Richtig besehen hat jedes Produkt Vor- und Nachteile, der Händler wird einfach die Vorteile erwähnen. Erwarten sie vom Händler nicht partout, dass er jedes Produkt bis ins kleinste Detail kennt. Er verkauft in erster Linie Produkte, mit allen auch noch selbst ausgiebig Fotografieren liegt nicht drin. Sie können sich auch in Fachzeitschriften umsehen. Jedoch werden sie dort kaum je lesen, das Objektiv xy wurde vom Teufel in die Welt gesetzt um Fotografen zu ärgern.

Darf man Tests in Fotozeitschriften Glauben schenken?

Um über Produktneuheiten informiert zu sein ist ein Fotograf im Internetzeitalter nicht mehr ausschliesslich auf Fotozeitschriften angewiesen. Entsprechend müssen die Zeitschriften um den verbliebenen Markt kämpfen. Es ist klar dass dies nicht spurlos an ihnen vorbei ging, sie mussten sich zum Teil stark anpassen um überhaupt noch bestehen zu können. Insbesondere die teure redaktionelle Arbeit wurde stark zurückgefahren. Eigenleistungen wurden und werden ersetzt durch Pressetexte aus den Marketingabteilungen der Equipmenthersteller. Auf der Gegenseite wurde aber auch ausgebaut. Was zugekauft werden kann oder sich im eigenen Haus in Serien machen lässt ist günstig, standardisierte Testberichte wurden also eher gefördert, nicht zuletzt markieren die Zeitschriften damit auch technische Kompetenz. Was Testberichte in Fotozeitschriften anbelangt, stelle ich über den Lauf der Jahre folgenden leichten Trend fest:

There was a line / There was a formula
Sharp as a knife / Facts cut a hole in us
There was a line / There was a formula
Sharp as a knife / Facts cut a hole in us

Wenn sie in der Anfangsphase des Ausrüstungsaufbaus an die Foto-Zeitschrift herantreten mit der hoffnungsvollen Frage, welche Optik denn sinnvoll zu kaufen sei, so werden sie dort also nicht die Antwort eines Fotografen erhalten, sondern diejenige eines Technikers. Daran ist soweit noch nichts falsch, die Frage nach dem Sinn wird derart aber nicht beantwortet werden, weil der in der Anwendung der Optik liegt und nicht in deren Detailspezifikation.

Testberichte sind somit nur die eine Seite der Entscheidungsfindung. Ich halte Testberichte für geeignet um grobem Unfug aus dem Wege zu gehen - lassen wir in solchen Fällen den Hersteller die teuren Erfahrungen machen, der will ja auch etwas lernen, und nicht uns.

Es gibt Objekte der Sehnsucht, welche von der einen Fotozeitschrift als sehr gut oder super eingestuft wurden und von einer anderen als "nicht empfehlenswert". Dies kann verschiedenste Gründe haben, von unterschiedlichen Bewertungsschwerpunkten der Zeitschriften bis hin zu qualitativen Streuungen der getesteten Objekte. Es schadet somit auch nicht, Tests in mehreren Zeitschriften zu berücksichtigen - ich mache dies, indem ich die Zeitschriften am Kiosk lese - meistens werde ich erst nach etwa 10 Minuten weggewiesen - und daraus eine Durchschnittsmeinung zu bilden.

I'm still waiting... I'm still waiting... I'm still waiting...
I'm still waiting... I'm still waiting... I'm still waiting...
I'm still waiting... I'm still waiting...
The feeling returns / Whenever we close out eyes
Lifting my head / looking around inside

Aber: Meinungsbildung braucht auch Zeit:

Bedenken sie auch folgendes: Fotozeitschriften sind nicht unabhängig. Sie sind darauf angewiesen rechtzeitig und möglichst als erste Testexemplare neuer Objektive respektive Kameras zu kriegen und wollen die Hersteller auch wegen Inseraten nicht verärgern. So kommt es, dass schlussendlich mehr oder weniger alles empfohlen wird. Unterdurchschnittliche Gerätschaften werden mit Rücksicht auf Anzeigekunden nicht als solche gekennzeichnet, es findet eine schädliche Schönrederei statt. Dies kann auf verschiedene Art geschehen: Wenn ein Objektiv mit den Worten jede Menge Fotospass für wenig Geld empfohlen wird, so spricht dies nicht unbedingt für das Objektiv, denn für den Spass sind sie verantwortlich.

The island of doubt - It's like the taste of medicine
Working by hindsight - Got the message from the oxygen
Making a list - Find the cost of opportunity
Doing it right - Facts are useless in emergencies

Hier meine Übersetzungsliste um die Empfehlungen der Fotozeitschriften richtig zu lesen:

Eine Empfehlung (falls sie französisch sprechen, respektive lesen können): Die Besprechungen im französischen Magazin Chasseur d'Images (und teilweise auch im Réponse Photo) sind meines Erachtens nach recht differenziert. Da kommt Equipment auch schon mal mit der Qualifikation "Concept bancal" durch - das ist derart absolut direkt, dass es sich nicht auf deutsch übersetzen lässt.

The feeling returns / Whenever we close out eyes
Lifting my head / Looking around inside.

Und nachdem sie jetzt wissen wie Testberichte zu lesen sind drehe ich das Ganze um und behaupte das Gegenteil. Ich hab schon mal ein Objektiv gekauft das mit einem blossen "gut" durch den Test kam und hab dies bis heute nicht bereut. Dies bedeutet, ich profitiere von den Stärken der Optik und kann mit ihren Schwächen umgehen.

Wenn sie also das Gefühl haben, eine Optik wäre genau auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten, im Test kommt sie jedoch nur mit "guter Note" weg, dann machen sie folgendes: Kaufen sie die Optik und künden sie dafür das Abonnement der Zeitschrift.

Meinungen im Web

Am besten fragen sie Anwender, welche die Kamera respektive Optik bereits seit einiger Zeit besitzen (und auch nutzen). Meinungen von Fotografen bezüglich Ihrem Equipment gibt's im Web wie Sand am Meer. Lesen sie die Anwender-Reviews durch, aber machen sie sich ihre Gedanken dazu. Gedanken, die ich mir zu diesem Thema mache sind die folgenden:

Auf der restlichen Website des Fotografen hole ich mir zumeist auch noch einen Eindruck zum Fotografen.

Wird irgendwo Canon gegen Nikon gegen Olympus gegen Sony ausgespielt, so ignorieren sie dies, es sei den, sie fänden Vergnügen daran, mit einem Markenwechsel viel Geld auszugeben.

Und dann gibt's noch eine ganz besondere Kategorie von Testberichten: Es sind dies all diejenigen, bei welchen auf einer Webseite zu einer Unzahl von Gerätschaften Yeti und Pleti (respektive Hinz und Kunz) mehr oder weniger anonym seine Meinung in kurzen Worten eintragen respektive auf einer Zahlenskala zum Ausdruck bringen kann. Jeder darf eintragen, auch ohne Sachverstand, das Kollektiv wird dies richten. Dies ist der Trugschluss, das Kollektiv sei unfehlbar. Diese Kollektivbewertungen sind insofern attraktiv als keiner Verantwortung für das Ergebnis übernehmen muss. Davon halte ich nun wirklich nichts. Somit gebe ich Berichten Vorrang, welche von einem Individuum geprägt sind, welches bereit ist, für den Test einen zumindest minimalen Aufwand zu treiben und zu seiner Meinung zu stehen.

Facts are simple and facts are straight
Facts are lazy and facts are late
Facts all come with points of view
Facts dont do what I want them to
Facts just twist the truth around
Facts are living turned inside out
Facts are getting the best of them
Facts are nothing on the face of things
Facts dont stain the furniture
Facts go out and slam the door
Facts are written all over your face
Facts continue to change their shape

Puh... etwas viel Anforderungen an die armen Reviewer - aber keine Angst, gegessen wird immer alles nur halb so heiss.

I'm still waiting... I'm still waiting... I'm still waiting...
I'm still waiting... I'm still waiting... I'm still waiting...
I'm still waiting... I'm still waiting...