Lies Feininger...

Dennoch billigte Adams nicht, was er als Missbrauch seines Zonensystems sah. Als alter Mann dachte er, dass viel zu viele Menschen die Methode missverstanden und mit zu viel Geheimnis versehen haben. Warum kam das so rüber? Sehr wahrscheinlich trug schlechte Kommunikation die Schuld: Ansel Adams war als Fotograf viel besser denn als Lehrer. Seine ersten Bücher über das Zonensystem waren sehr schwer zu verstehen. Die letzten Ausgaben von "Das Negativ" und "Das Positiv" sind viel besser.

Lars Kjellberg, auf www.photodo.com

Bild: Michael Albat

In der Oberliga der Beratungsbücher zur Fotografie spielen drei Namen eine Rolle: Adams, Feininger und Weidner.

Adams war Amerikaner, und daher heissen seine Bücher handfest "Das Negativ", "Das Positiv" und "Die Kamera": Quadratisch, praktisch, gut.

Weidner, als echter Deutscher, wird abstrakt und arbeitet daher mit System: "Das Zonensystem in der SW-Fotografie"

Feininger nun hat im Laufe seines Lebens eine ganze Reihe von Büchern über die Fotografie veröffentlicht. Sein literarisches Lebenswerk hat er 1978 in dem Buch " Andreas Feiningers grosse Fotolehre" zusammengefasst. Der englische Titel seines Buches jedoch heisst "The Complete Photographer": Feininger spricht nicht von Sachen oder von Systemen oder von Fotografen, Feininger spricht ZU und er spricht MIT Fotografen. Und solchen, die es werden wollen. Und er tut das in einer einfachen Sprache, aber mit einer Klarheit und Präzision und Eleganz, die seinesgleichen sucht: Zupackend; voller Saft und Kraft.

Zum Lebenslauf

Andreas Feininger lebte von 1906 bis 1999; der Maler Lyonel Feininger (1871-1956) ist sein Vater, der Maler T.Lux Feiniger ist sein Bruder. Vor seiner Ausbildung als Architekt absolvierte er eine Ausbildung als Kunsttischler am Bauhaus in Weimar. Vom Bauhaus ist ja hauptsächlich der schöne Spruch "Form follows function" überliefert, und man merkt, ab und zu, die dort erhaltene Prägung:

Bei der Motivwahl für eure Bilder kommt es nicht so sehr darauf an, was ihr seht noch wie ihr seht, sondern vor allen Dingen darauf, was ihr darin seht. Mit anderen Worten: Es ist weniger wichtig, wie ihr etwas fotografiert, sondern warum ihr es tut. Das Warum ist der Schlüssel zum Wie. Wenn ihr wisst, warum ihr ein bestimmtes Motiv fotografieren möchtet, dann ergibt sich das Wie ganz von selbst; es folgt aus dem Warum.

Andreas Feininger, Richtig sehen – besser fotografieren, 1973

Während der grossen Zeit der Fotoillustrierten, vor Aufkommen des Fernsehens, hat er von 1943 bis 1961 als einer von nur vier festangestellten Fotografen für die Zeitschrift Life gearbeitet und zählte zu den Begründern der zeitgenössischen Bildberichterstattung. Nach dieser Zeit konzentrierte er sich darauf, seine Erfahrungen in Buchform aufzubereiten und dem ambitionierten Fotografen auch vom Verstand her zugänglich zu machen.

Die Bücher

Bei Heyne sind als Taschenbücher erschienen

Eine Warnung: In der "Fotolehre" stellt Feininger auch die ganzen Techniken inklusive Dunkelkammer und SW-Filmentwicklung vor, und was halt sonst so alles geschrieben wird in einem Fotolehrbuch. Dieser Teil ist weitgehend veraltet. Multigrade? Fehlanzeige! Auch zu Kameras: Auto-Focus, Mess-Charakteristik, Programm-Automatiken – vergessen sie’s. Digital-Fotografie – nie von gehört. Man fragt sich, womit er die fast 500 Seiten gefüllt hat...

Die "Hohe Schule" beginnt mit dem Satz "Dieses Buch ist kein Führer für Anfänger, es ist vielmehr eine analytische Erörterung der fotografisch-technischen Möglichkeiten." und weiter "Wie ein Wörterbuch den Gebrauch einer Sprache erklärt, so analysiert, erklärt und vergleicht dieses Buch die verschiedenen fotografischen Ausdrucksformen miteinander und gibt dazu die Gebrauchsanweisungen."

Leider vergriffen ist das Bändchen "Richtig sehen – besser fotografieren" von 1973. Zwar hat er die wichtigsten Textpassagen auch in die Fotolehre übernommen (insbesondere in den "Teil V: Wie man fotografisch sieht"), aber häufig sind die Formulierungen dort doch etwas... sagen wir, freundlicher gewählt worden.